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Schlafmittelrückstände machen Flussbarsche mutiger
16.01.2017 15:39

Das Problem von Arzneimittelrückständen in der Umwelt wird angesichts der Alterung der Gesellschaft und dem daraus resultierenden steigenden Medikamentenverbrauch zunehmend größer. Erschwerend trägt dazu der Umstand bei, dass immer mehr Menschen die Möglichkeit nutzen, verschreibungspflichtige Medikamente online, ohne Rezept zu kaufen. Dementsprechend gelangen vermehrt Spurenstoffe in das Ökosystem. Immerhin eine Art scheint jedoch davon zu profitieren: Flussbarsche werden durch das Schlaf- und Beruhigungsmittel Oxazepam mutiger und leben länger.

Pharmazeutische Wirkstoffe sind hochaktive Substanzen, die zielgerichtet die Körperfunktionen von Lebewesen manipulieren: Sie sind beispielsweise in der Lage, den Zellmetabolismus zu beeinflussen oder den Hormonspiegel und die Übertragung biochemischer Signale zwischen den Zellen zu verändern. Aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften ist es unvermeidlich, dass Medikamente auch Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen haben, wenn Rückstände davon in die Flora und Fauna gelangen. Bei zahlreichen Arzneistoffen sind die umweltbezogenen Risikofaktoren infolge fehlender Erforschung nur vage abschätzbar. Das ist besorgniserregend, da für manche Arzneimittelwirkstoffe ungünstige Effekte auf Ökosysteme bereits nachgewiesen sind.

 

Immerhin eine Art scheint einen Nutzen aus Medikamentenrückständen zu ziehen: Flussbarsche (Perca fluviatilis) werden einer biologischen Forschungsarbeit zufolge durch Oxazepam (Handelsname: Adumbran) mutiger und langlebiger. Ein Forscherteam der schwedischen Umeå-Universität empfiehlt dementsprechend, neben den nachteiligen Konsequenzen von Arzneimittelrückständen in der Natur auch positive Wirkungen zu betrachten.

Jonathan Klaminder und Kollegen bemängeln, dass gängige Testverfahren die vielschichtigen Zusammenhänge in Ökosystemen nur unzureichend berücksichtigen. Die Wissenschaftler schreiben im Fachjournal «Environmental Research Letters», dass verschiedene Pharmawirkstoffe in der Lage sind, die Sterblichkeitsrate mancher Lebewesen zu reduzieren. Als konkretes Beispiel nennen sie die von ihnen untersuchte Flussbarschpopulation. Eine geringe Menge des Benzodiazepins macht die Barsche furchtloser und steigerte ihre Überlebensaussichten gegenüber jenen Artgenossen, die dem Beruhigungs- und Schlafmittel nicht ausgesetzt sind. Warum ein Sedativum die Süßwasserfische aufputscht, ist ein Rätsel. Womöglich verringert es das Stressniveau und lässt die Tiere in der Folge erfolgreicher bei der Futtersuche werden. In Betracht gezogen wird auch eine konzentrationsfördernde Wirkung.

Herkömmliche Experimente nutzen Fische, die im Labor stressfrei, unter kontrollierten Bedingungen, in bester körperlicher Verfassung aufwachsen. Für die Kontrollgruppen werden hundertprozentige Überlebenschancen angenommen. Den Umständen in der freien Natur entspricht das nicht. Die Entdeckung vorteilhafter Auswirkung auf die Sterblichkeit wird hierdurch erschwert. Prof. Klaminder und sein Team beobachteten im Gegensatz dazu 2-jährige Barsche und Barschrogen aus skandinavischen Stillgewässern, allerdings ebenfalls unter Laborbedingungen statt in der Natur.

Was für einzelne Fischarten von Vorteil ist, muss indes nicht günstig für das gesamte Ökosystem sein. Wenn eine Substanz eine zuträgliche Wirkung auf eine Tierart hervorruft, bedeutet das höchstwahrscheinlich einen nachteiligen Effekt für ihre Beutetiere oder konkurrierende Spezies. Mehr als 150 verschiedene Arzneimittel sind mittlerweile in deutschen Gewässern nachgewiesen. Dementsprechend gelangen mehr Rückstände in den Wasserkreislauf. Umweltexperten schlagen vor, den Spurenstoffen mit einer vierten Reinigungsstufe in den Kläranlagen zu Leibe zu rücken.

Quelle: https://benzodiazepine-info.net/benzodiazepine-im-abwasser

 

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